Es ist eines dieser Worte, das wie ein Geist durch Instagram weht, auf Mama-Blogs wohnt und zwischen den Zeilen so vieler Partnerschaftskrisen spukt: Mental Load.
Du hast es wahrscheinlich schon mal gehört. Vielleicht hast du sogar schon innerlich genickt – oder die Fäuste geballt, wenn jemand so tat, als sei das doch alles halb so wild. In diesem Artikel möchte ich dich mitnehmen. Nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern mit einem offenen Blick auf das, was Mental Load wirklich ist – und was Paare tun können, wenn er beginnt, die Beziehung zu zerfressen.
Was ist Mental Load – und warum sieht ihn keiner?
Mental Load ist kein neues Phänomen, aber ein lange übersehenes. Es ist die unsichtbare Arbeit, das ständige Mitdenken, Planen, Koordinieren. Und es ist besonders perfide, weil man sie nicht sieht. Kein Applaus, kein Stundenlohn, kein Dank. Nur Erschöpfung.
Eine Studie von Ana Catalano Weeks und Leah Ruppanner (2024) belegt das eindrücklich: Mütter übernehmen durchschnittlich 71 % der mentalen Belastung in Familien – also den Großteil jener unsichtbaren Koordinationsarbeit, die selten als „echte Leistung“ wahrgenommen wird.
Stell dir einen ganz normalen Kindergeburtstag vor. Klingt nett. Kuchen, Lachen, vielleicht ein bisschen Chaos. Aber: Wer denkt an das Geschenk? Wer kauft es? Wer packt es ein? Wer plant die Anfahrt, die Kleidung, die Snacks, den Tagesablauf davor und danach? Wer hat im Blick, ob das Kind gebadet ist – oder wenigstens die Zähne geputzt?
Mental Load ist kein To-do. Es ist ein dauerlaufender Hintergrundprozess. Einer, der Energie zieht, ohne je sichtbar zu sein. Besonders dann nicht, wenn er funktioniert.
Warum betrifft das besonders Frauen?
Die kurze Antwort: Weil unsere Gesellschaft so tickt. Die längere: Weil Frauen – besonders in heteronormativen Elternbeziehungen – oft in eine Verantwortung hineinsozialisiert werden, die sie nicht bewusst gewählt haben.
In Deutschland leisten Frauen 52,4 % mehr unbezahlte Sorgearbeit als Männer – das zeigt der sogenannte Gender Care Gap. Das bedeutet konkret: Mehr Kochen, mehr Kinderbetreuung, mehr Gedanken an Windelvorräte und Geburtstagsgeschenke – auch dann, wenn beide berufstätig sind.
Mädchen lernen früh, für andere mitzufühlen, Verantwortung zu übernehmen. Jungs lernen Autonomie. Das ist kein Vorwurf, sondern eine Beobachtung. Auch in Studien zeigt sich: Beide Geschlechter nehmen die gleichen Situationen wahr – aber Frauen verbinden häufiger einen Handlungsimpuls damit.
Wenn also eine volle Wäschetonne da steht, sehen sie sie nicht nur – sie spüren auch: Ich muss was tun.
Und dazu kommen strukturelle Faktoren: In Deutschland arbeiten Väter nach wie vor häufiger Vollzeit. Frauen bleiben häufiger länger zu Hause. Und wenn du drei Jahre lang das Familienschiff allein steuerst, kennst du jedes Leck, jeden Windstoß – und übernimmst fast automatisch die Kapitänsrolle.
Nicht, weil du das wolltest. Sondern weil es keiner sonst gemacht hat.
„Du kannst es nicht richtig machen“ – Warum beide Seiten leiden
Das Tragische an der Mental-Load-Dynamik: Es ist nicht einfach nur ein „zu viel“ auf der einen Seite. Es ist auch ein ständiges „nicht genug“ auf der anderen. Frauen fühlen sich alleingelassen. Männer fühlen sich kritisiert, ohne zu wissen, was genau falsch läuft.
„Sag mir doch, was ich tun soll!“ – dieser Satz klingt wie ein Hilferuf. Aber er trifft nicht den Kern. Denn es geht eben nicht um Aufgaben. Es geht um Verantwortung.
Es reicht nicht, einen Einkaufszettel abzuholen. Es geht darum, selbst zu wissen, dass einer geschrieben werden muss. Und was alles dazugehört: Wochenplanung, Kühlschrankcheck, Windelstand, Zahnpasta leer, ach – und was wollten wir nochmal kochen?
Verantwortung heißt: Ich sehe, was ansteht. Ich frage nicht nur: „Was soll ich tun?“ – ich frage: „Was fehlt hier gerade, und wie kann ich beitragen?“
Was hilft? Drei Schritte raus aus dem Ungleichgewicht
1. Sichtbarkeit schaffen
Der erste Schritt ist oft der schwerste – und der wichtigste: sichtbar machen, was da eigentlich alles läuft.
Nicht, um den Partner bloßzustellen. Sondern um das Unsichtbare ans Licht zu holen.
Vielleicht durch ein kurzes Gespräch. Vielleicht auch durch ein (gemeinsames!) Mental-Load-Tagebuch. Wie auch immer: Wenn es keinen Namen hat, kann man es nicht teilen.
Und ja, das klingt paradox. Noch eine Aufgabe mehr. Noch ein To-do. Aber: Ohne Bewusstsein keine Veränderung.
2. Verantwortung – nicht Aufgaben – teilen
Die klassische Falle: „Ich mach doch schon den Wocheneinkauf.“ – „Ja, aber wer schreibt den Zettel?“
Verantwortung abgeben heißt nicht: Ich fülle deine Liste ab. Es heißt: Ich übernehme das ganze Feld.
Wenn du morgens die Kinder fertig machst, dann heißt das nicht nur: anziehen, losfahren. Es heißt auch: Überblick haben, was sie brauchen. Wissen, wann sie schlafen sollen. Spüren, ob sie weinen, weil sie frieren – oder weil sie mit zu viel Druck geweckt wurden.
Und ja – Verantwortung übernehmen heißt auch, auszuhalten, dass Dinge anders gemacht werden, als man sie selbst tun würde.
Bis zu einem gewissen Punkt. Denn wenn der andere unter deiner Art leidet – wenn z. B. die Kinder weinend in die Kita gehen, weil der Stress am Morgen zu groß war – dann ist das nicht okay. Dann ist es kein “anders”, sondern destruktiv.
Aber kleinere Unterschiede? Die gehören dazu. Lernen durch Erfahrung. Auch für Eltern.
3. Die Frage hinter der Frage stellen
Am Ende geht es nicht nur um Listen. Es geht um Präsenz. Um die Frage: „Bist du emotional da? Interessierst du dich für das, was in unserer Familie passiert?“
Wenn Mental Load dauerhaft auf eine Person zurückfällt, ist das nicht nur logistisch ein Problem. Es ist auch ein Mangel an emotionaler Verbundenheit. Es fühlt sich an wie: Ich trage das alles allein. Du siehst es nicht. Du willst es nicht sehen.
Der Weg raus? Interesse zeigen. Fragen stellen. Nicht nur nach dem „Was“, sondern nach dem „Wie geht’s dir damit?“ Und – ganz wichtig – auch mal die Perspektive wechseln: Zwei Tage mit den Kindern allein verbringen. Selbst erleben, wie viele kleine Entscheidungen man trifft, bevor der Tag überhaupt richtig angefangen hat.
Schlussgedanke: Gleichwürdigkeit statt Gleichverteilung
Es muss nicht alles 50:50 sein. Wirklich nicht. Es geht nicht um Millimeter-Gerechtigkeit. Sondern um Gleichwürdigkeit.
Darum, dass beide sich verantwortlich fühlen. Dass keiner das Gefühl hat, alles hängt an ihm – oder alles prallt an ihm ab. Und ja, dafür braucht es Gespräche. Neue Vereinbarungen. Und manchmal auch ein bisschen Mut, Dinge anders zu machen.
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Und wenn du magst: Teil diesen Artikel mit Menschen, die ihn brauchen könnten. Denn wenn Mental Load sichtbar wird – dann kann er sich auch verändern.