Januar 19

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Freiraum in der Beziehung ist mehr als nur eigene Hobbys!

Freiraum. Das große Wort in jeder Beziehung. Oft kann man lesen, dass die beiden Partner sich gegenseitig ihren Freiraum zugestehen sollen. Eigene Freunde treffen. Eigene Hobbys ohne den Partner pflegen. All das scheint als essentiell notwendig angesehen zu werden, damit die Partnerschaft nicht zu belastend und einengend wird. Ich habe jedoch das Gefühl, dass bei diesen Empfehlungen ein Aspekt von Freiraum außer acht gelassen wird. Dieser Aspekt hat viel mit Verantwortung zu tun. Aber was meine ich damit?

Uschi und Giesbert

Denken wir uns eine fiktive Paarsituation. Giesbert und Uschi sind schon eine ganze Weile zusammen. Nach einiger Zeit haben die beiden beschlossen, zusammen zu ziehen. Nun tritt das auf, was wohl typisch für diese Phase der Beziehung ist: Konflikte treten auf. Giesbert lässt seine Sachen überall herumliegen. Er tut nichts im Haushalt und Uschi fühlt sich bald als “die Mutti für alles”. Doch beide sind sehr aufmerksam und so versucht Giesbert seine Freundin zu beschwichtigen. Immer, wenn sie ihr Problem anspricht, das sie mit seiner Unordnung hat, gibt er sich einige Tage Mühe. Bis seine Achtsamkeit wieder nachlässt und alles wieder ist, wie immer. Dieses Auf und Ab ist für Uschi ungemein ermüdend. Sie sieht, dass sich ihr Partner Mühe gibt, aber irgendwie macht sie die Beziehung fertig.

Kein Freiraum

Was hier vorliegt, ist scheinbar eine Grenzüberschreitung. Mindestens von Giesbert, wahrscheinlich aber von beiden Parteien. Es ist weniger, dass Giesbert es nicht schafft, Ordnung zu halten und seinen Haushaltsaufgaben nachzukommen. Es liegt eher in der Art, wie er sich den kommunizierten Fehlern annimmt. Er schränkt nämlich Uschis Freiraum ungemein ein. Indem er sie zu seiner Mutter macht.

Er verhält sich nämlich wie ein kleines Kind. Es ist für ihn, als hätte er geschimpft bekommen. Wie früher: Räum dein Zimmer auf! Wenn Mutti auf diese Art wütend war, konnte er sie mit einiger Zeit der Aufmerksamkeit wieder beruhigen. Er hielt Ordnung, bis es wieder einriss, und das Gemecker wieder losging. Wahrscheinlich hatte er eine Mutter, die nicht verständlich vermitteln konnte, warum es ihr wichtig war, dass das Zimmer aufgeräumt war. Alles was ankam, war: Mutti schimpft, weil ich irgendwas getan habe. Damit sie sich wieder beruhigt, muss ich irgend etwas anders machen. Auf diese Weise hat nie eine wirklich persönliche Kommunikation stattgefunden. Aber so hat Giesbert gelernt, wie Beziehung funktioniert: Wenn der Andere wütend ist, dann ist das ein Gemecker. Das kann ich ausschalten, wenn ich brav bin. Und genauso behandelt er nun seine Uschi.

Die Freundin wird zur Mutter

Doch damit macht er seine Freundin zu seiner Mutter. Eine Rolle, die keiner freiwillig für einen Anderen übernimmt und so auch nicht funktionieren kann. Sie wird in eine Position gedrängt, in der sie eine Verantwortung übernehmen muss, die eigentlich nicht die ihre ist: Die Entscheidung alleine zu tragen, wie das gemeinsame Leben aussehen soll. Das kleine Kind an ihrer Seite mag das aber nicht und wird bockig. Aber damit die Mama wieder lieb ist, ergibt es sich ihrem Diktat.

Giesbert sperrt Uschi ein. Er ist wie ein Froschkönig, der meint, wenn er etwas für sein weibliches Gegenüber tut (die Goldkugel wiederbeschaffen) belohnt sie ihn, was im Märchen vom Froschkönig bedeutet, dass sie sein Spielkamerad sein soll. In unserem Beispiel soll sie sagen: Du hast aber fein aufgeräumt. Da freu ich mich!

Der Ausweg

Wie kommt er da raus? Zunächst muss Giesbert in sich gehen und realisieren, was vor sich geht. Dass sein Verhalten das kindliche Verhalten von früher ist. Dass seine Freundin nicht seine Mutter ist. Sie hat keine “Macht” über ihn und er muss sie nicht beschwichtigen. Wenn er ein richtiges Gegenüber, ein gleichwürdiger Partner sein soll, dann muss er klarstellen, wie er sich das gemeinsame Leben vorstellt. Wenn er Ordnung hält, so muss er es zunächst einmal tun, weil IHM das wichtig ist. Nicht um es irgendjemandem recht zu machen. Wenn er jedoch feststellt, dass ihm das nicht wichtig ist, dann kann er weiter überlegen: Kann ich aus ganzem Herzen meiner Freundin entgegen kommen, weil es in Ordnung für mich ist, mehr Ordnung zu halten? Oder überschreitet das eine Grenze, weil ich das Chaos eigentlich brauch? Oder ist gar das Chaos nur eine Trotzreaktion auf das vermeintliche Diktat meiner Freundin?

In jeden Fall muss Giesbert das Gespräch mit Uschi suchen. Ihr erklären, was er herausgefunden hat. Dass er sie in Zukunft nicht mehr zu seiner Mutter machen wird und eigenverantwortlich kommunizieren wird, wo seine Ordnungs-Grenzen liegen. Ohne eine klare und ausführliche Kommunikation kann und wird sich das Problem nicht lösen lassen. Auf diese Weise befreit er seine Freundin aus ihrem Gefängnis und gibt ihr wieder den Freiraum, einfach nur seine Freundin zu sein.

Uschis Verantwortung

Und Uschi? Inwiefern schränkt sie seinen Freiraum ein? In dem sie sich ihrer Rolle als Mutter ergibt und unbewusst denkt: Der Junge gibt sich doch aber so eine Mühe!
Auf welche Weise wird der Froschkönig im Märchen erlöst? Indem die Prinzessin ihm ein herzliches “NEIN!” entgegenruft und ihn mit viel Schmackes gegen die Wand schleudert. Übertragen auf unsere beiden bedeutet das: Klar mitzuteilen, dass es so nicht weitergeht und dass Giesbert MASSIV ihre Grenzen überschreitet.
Auf diese Weise wird Uschi erst richtig zur Prinzessin und ihr Froschkönig Giesbert zum wahren Prinzen.

Um dem Partner seinen Freiraum zuzugestehen, muss man vor allem Verantwortung übernehmen. Jene, die man sowieso bereits hat. Die man immer hat, wenn man Mensch ist. Denn niemand, darf und kann für dich entscheiden. Du musst es selber tun!

Shalom,

Dein Mathias

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Stichworte

Beziehung, Kommunikation


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